Hainewalde im Jahr 2000 — zur Verfügung gestellt von Rainer Buttig — Ortschronist Hainewalde. «Hainewalde im Jahr 2000» Eine nicht ernst zu nehmende Prognose des früheren Oberlehrers Karl August Haake, wahrscheinlich verfasst im 1. Viertel des vergangenen Jahrhunderts.Das Original besitzt Frau Kristina Wünsche, es wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Mein Dank gilt Herrn Buttig für die Veröffentlichungsgenehmigung auf grussschiene.de.
Kurzbiografie des Urhebers Karl August Haake Karl August Haake wurde 1862 als Sohn eines Schuhmachermeisters in Elstra bei Kamenz geboren. Nach Abschluß der „Einfachen Volksschule“ im Jahre 1876 begann er eine Ausbildung zum Lehrer am Königlich Sächsischen Lehrerseminar in Löbau, die er 1882 erfolgreich beendete. Im gleichen Jahr bewarb sich Karl August Haake um eine Anstellung in Hainewalde, die ihm eine Stelle als Hilfslehrer ermöglichte. Nachdem er in Hainewalde beruflich Fuß gefasst hatte, ehelichte er 1885 Maria Emilie Möbuß. 1886 erhielt er die Stelle eines dritten ständigen Lehrers. Seine Wohnung befand sich in der Scheibeschmiede. Mit viel Fleiß und beruflichen Engagement stieg er über den zweiten ständigen Lehrer zum Schulleiter auf. In Anbetracht seiner Verdienste wurde er 1917 zum Oberlehrer ernannt. Im Jahre 1924 wurde Karl August Haake pensioniert. Während seines Wirkens als Lehrer und später auch im Ruhestand, hat sich Karl August Haake um die Erforschung seines geliebten Hainewalde viele Verdienste erworben. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer, war er 40 Jahre lang Mitglied des Gemeindevorstandes und 30 Jahre nebenbei Kassierer der 1891 in Hainewalde gegründeten Sparkasse. Aus seiner Feder stammt eine Abhandlung über die Hainewalder Haarbodenweberei. Er verstarb 1942 im Alter von 80 Jahren und wurde auf dem alten Friedhof, rechts neben der Kirche beerdigt. Sein Grabstein zeigt ihn inmitten von Schulkindern. Die älteren Hainewalder werden sich zumindest dem Namen nach an ihn erinnern und er ist würdig, dass wir auch heute noch an ihn denken.
Hainewalde im Jahr 2000 Zu dieser Zeit hat sich Hainewalde gewaltig zu seinem Vorteile geändert und zwar nicht nur in kultureller und sozialer, sondern auch in esthetischer und namentlich klimatischer Hinsicht. Zum Beispiel einen Wintertag, wie er in unkultivierten Gegenden sich noch heute findet, kann der Hainewalder sich nur denken, in Wirklichkeit gibt es ihn hier nicht; weder Schnee noch Kälte belästigt. Durch ein höchst sinnreiches, unterirdisches Röhrennetz mit Warmwasserheizung hält die löbliche Gemeindevertretung, oder vielmehr die hohe Magistratsbehörde, denn Hainewalde ist zur Titularstadt erhoben, den Boden gleichmäßig warm und lässt über Hainewalde einen stetig blauen, wolkenlosen Himmel lachen, zu welchem Zwecke früh morgens 7.00 Uhr von dem regierenden Oberbürgermeister vom Balkon des Hainewalder Rathauses eine zwar kostspielige, aber sehr zum Ziele führende chemische Lösung in die Luft gestreut wird. Das Rathaus selbst, im oberlausitzschen Stile des vorigen Jahrhunderts mit Turm, Schobendach und Abseite, wirkt durch seine architektonische Schönheit geradezu verblüffend auf den Beschauer und erhebt sich im früheren Mitteldorfe, der jetzigen City von Hainewalde. Da es noch Morgen ist, herrscht öde Leere sowohl auf den asphaltierten Straßen als auch trotoirgeschmückten Plätzen Hainewaldes, über deren schlechte Beschaffenheit die Bewohner im Jahre 1900 oft weidlich schimpften, rührt doch aus diesem Jahre auch eine rührsame Ballade über einen im Straßenschlamme stecken gebliebenen Gummischuh her. Nur hier und da hält verschlafen ein berittener Dienstmann. Von schulbesuchenden Kindern jedoch keine Spur. Die hoffnungsvolle Schuljugend Hainewaldes rekelt sich, trotzdem die halbjährigen Ferien zu Ende sind, noch faulenzend im Bette. Dagegen ist der Hainewalder geheime Oberschulrat schon in vollster Amtstätigkeit. Er sitzt in einer stillen Klause des Hainewalder Universalunterrichtslaboratoriums und lehrt mit laut dröhnender Stimme, aber vollständig abgeschlossen. Denn von hier gehen nach allen Häusern telefonische Anschlussleitungen, durch die er zu den Kindern spricht und ihnen alles wissenswerte, besonders Strategie, Sozialpolitik, Börsen– und Flottenkunde beibringt. Nach erfolgreicher Absolvierung dieser angenehmen Telefonunterrichtsmethode erhält jeder Schüler das Qualifikationszeugnis zum ¼ jährigen Freiwilligen und jede Schülerin das Recht an allen staatlichen und kommunalen Wahlen stimmberechtigt teilnehmen zu können. Die früheren Schulen, diese geistigen und leiblichen Tortour– und Marteranstalten einer brutal rohen, alten Zeit sind kassiert und zu Dampfspritzenhäusern umgerüstet worden. Nur die frühere, sogenannte neue Schule in welcher im vorigen Jahrhundert die Hainewalder Sparkasse ihren Sitz aufgeschlagen hatte, die aber in Folge des großen Mistrauens und des geringen Lokalpatriotismus und der dickschädligen Bockbeinigkeit der damaligen Bevölkerung, trotz aller Mühe, sich nicht so recht aufschwingen konnte, hat sich Dank der Einsicht und Unterstützung der späteren Hainewalder Generationen zu der oft und weit angestaunten im monumentalen Prachtbau untergebrachten Hainewalder Zentral-, Sparkredit-, Hypotheken– und Pumpbank, die ohne Pfand und Sicherheit, lediglich auf gemessenes Ansuchen Pumpbedürftigen und Pumpbeflissenen in liberalster Weise in beliebiger Höhe bare Aushilfe leistet, ausgewachsen.
Ihr Umsatz zählt darum nach Millionen. Ihre Konkurrenz wurde so erdrückend, dass die Zittauer Sparkasse, die vor 100 Jahren hauptsächlich durch die Hainewalder Bevölkerung er– und unterhalten wurde, zu siechen anfing, gänzlich einging und ihre Räume heute einen Trödelladen beherbergen. Lässt sich nun nach süßer Nachtruhe die Familie gemächlich zum Morgenkaffee nieder, so wird dem Familienoberhaupte durch die Hainewalder Gemeindeexpressrohrpost ein auf rosa Velourpapier gedrucktes Exemplar des Hainewalder Gemeindegeneralanzeigers, Organ für Volksinteressen, zur gefälligen Lektüre gratis übermittelt. Jeder Hainewalder ist durch seine Geburt Mitarbeiter hieran, doch so, dass dasselbe unter der Spezialredaktion der drei größten weiblichen Ortsklatschen steht. Einem unverbürgten Gerüchte zu Folge, soll es diese besondre Spezies weiblichen Geschlechtes vor 100 Jahren noch gar nicht gegeben haben. Um Kost und Beheizung braucht ich niemand zu kümmern, denn die Erwärmung der Häuser erfolgt vom Gemeindezentralwämehaus aus. Während die Nahrungsfrage durch die Gemeindezentralfutteranstalt vorzüglichste Lösung findet, nachdem jedes Mal am Tage vorher durch den regierenden Oberbürgermeister unter Assistenz zweier wirklich geheimen Gemeindespeiseräte das Menü festgestellt worden ist. Bei diesem sorgenlosen Dasein ist es kein Wunder, dass die Hainewalder Ortsbewohner ein sehr ausgeprägtes Gefühl nach Zerstreuung und Amüsement besitzen. Sie pilgern darum teils per Luftballon teils per Automobil in den Hainewalder Tiergarten, der sich hinter dem früheren Schießhause, wo sich unsere Altvorderen zu den Zeiten der nicht so glänzenden Schießfeste an saftigen Würsteln aus ausgedienten Droschken– und Kavallerie-Gäulen hergestellt, erfreuten, imponierend ausbreiten. Vom größten Börsenungeheuer bis zum ruppigsten Vagabunden, vom zahmen Esel bis zum blutdürstigen Floh, beherbergt derselbe alle menschlichen und tierischen Geschöpfe, so das das einstige Berliner Panoptikum und Barmuns Schaustellung das reine Kinderspiel dagegen waren. Hier werden Fischotter und Seeadler mir frischem Mandau-Lachs und die Raubtiere mit jung eingefangenen Wildschweinen des Hainewalder allgemeinen Gemeindejagdparkes, der sich weit über den Spitzberg bis nach den pikant– amüsanten Jagdgründen Warnsdorfs erstreckt, gefüttert. Für möglichste Kurzweil ist weitgehendst gesorgt. Besonders andächtige Zuhörer findet das Freikonzert der Hainewalder Kur– und Badekapelle. Denn an den idyllischen, früher so kahlen Hängen des Brandes, ist ein Sanatorium ersten Grades mit Luft– und Sonnenbädern und einer Hungerkuranstalt für solche, die gern Essen möchten, aber nichts zu beißen haben und daher bei rasendem Appetite sind, gegründet und eingerichtet worden. Am Siedemühlteiche aber sind die heißen, gewaltigen, überhaus heilkräftigen Hainewalder Thermen, die den Karlsbader Sprudel total verdunkeln und vereinsamen ließen, entdeckt und dem Zuge der Zeit folgend das Badepublikum kühl und vollständig ausraubend aktiengesellschaftlich ausgenutzt worden.Dazu wirkt der hinter der früheren Hofescheune entstandene Vulkan mit seinen in unbestimmten Perioden stattfindenden Brandausbrüchen sehr anziehend und fesselnd, dagegen den oft kränkelnden und mageren Gemeindesäckel schwer und schmerzlich erschütternd.
Was Wunder, das solcher Gestalt Hainewalde ein internationaler Rendezvousplatz der feinen Welt geworden ist. Millionäre und Industriebarone, Fürsten und Potentaten finden sich hier wie Fliegenpilze im feuchtwarmen Hochsommer. Der Mikado von Japan und der Kaiser von China, dieser treueste Bundesgenosse und innig Verbündete des deutschen Reiches, sind alljährlich regelmäßig Gäste und wohnen im internationalen „Zentralschröpfhotel zum Reinfall“. Der Name Reinfall wird einer alten Überlieferung zur Folge darauf zurückgeführt, dass sich dieses Hotel an dem Platze erhebt, wo vor mehr als 100 Jahren das so genannte Versandhaus der Haarbodenweber sich erhob, wo so viele reinfielen und so mancher einen erinnerungsreichen Reinfall erlebte. Von hier aus bietet sich eine entzückend schöne und unvergleichlich herrliche Aussicht auf die malerisch am Fuße des Hutberges erbaute Sternwarte. Seit diese errichtet worden ist, geht die Hainewalder Turmuhr, dieses Schmerzenskind des vorigen Jahrhunderts, auf den tausendsten Teil der Sekunde genau, und werden weder dem Kirchenvorstande noch dem Gemeinderate mehr Vorwürfe über deren Schlafmützigkeit gemacht. In mitternächtlicher Stunde vernehmen die das Firmament studierenden Astronomen aus dem Hutberge manchmal ein seltsames Klingen und Tönen, Klagen und Stöhnen. Die Sage erzählt, dass diese nächtlichen Klagen von einem zu Tode gedrehten und gemarterten Leierkasten, dessen Mord ein rasend verliebter Tischler auf dem Gewissen haben soll und der sich nicht zur Unterhaltung der Wettinbaudenbesucher hier befunden haben soll, herrühren. Von hier begeben wir uns zu der einstigen so genannten Oberkretschambrücke, die trotz eines damals bereits bestehenden Beleuchtungsfonds und trotz aller Lichtsehnsucht der damaligen Bewohner, in Herbst und Winternächten in kohlpechrabenschwarze ägyptische Finsternis gehüllt erschien. Ihre Stelle nimmt eine hoch elegante elektrisch erleuchtete Aluminium Doppelhängebrücke ein, an welcher jeder männliche Fußgänger auf Gemeindekosten entweder eine echte Havanna oder französischen Cognac, jede Dame eine Tafel Schokolade oder ein Veilchenbukett und jeder Automobilkutscher eine Leberwurst aus der Hofschlächterei „von Semmel und Klein“ gratis erhält.
Ob der Name dieser Doppelfirma eine zarte Anspielung auf die so kleinen semmelgefüllten Leberwürste des vorigen Jahrhunderts sein soll, konnte von der lokalen Geschichtsforschung noch nicht definitiv aufgeklärt werden. Ringsum erheben sich hier fünf– und sechsstöckige Prachtbauten unter welchen vor allen die Luftballon Auf– und Abstiegstation auffällt und dominiert. Heute sind diese Gebäude von unten bis oben mit Schaulustigen besetzt, das deutet auf ein sensationelles Ereignis. Da, von Scheibe (jetzt Mittelherwigsdorf), dem aufstrebenden Vororte Hainewaldes bietet sich uns plötzlich ein seltsamer, staunend erregender Anblick. Zwar lässt das aus der Ferne vernehmbare, stetig anwachsende Stampfen, Rasseln, Keuchen und Pusten, vermischt mit einer furchtbaren gewaltigen Rauchsäule Seltsames ahnen, aber da, als die Torpedobootflotille der Nordostsee unter Führung eines Panzerkreuzers majestätisch die Mandau herauf dampft und sich uns nähert. Da packt uns ein Gefühl des Perplexseins gepaart mit gelindem Grusel und vermischt mit dem Gefühle erhabenen befriedigten Stolzes und kräftigenden Selbstgefühles. Ja, was unsere Väter in ihren kühnsten Träumen, in ihren verwegensten Wünschen und tollsten Erwartungen nicht ahnten, es ist Wirklichkeit und Tatsache geworden. Hainewalde ist Hafenplatz, eine Hauptstation am Zentral-Mandau-Verbindungskanal zwischen Nord-Ostsee und Mittelmeer. Wer hätte vor 100 Jahren geahnt, dass aus dem kleine Pfützenteiche, den der damalige Oberkretschambesitzer als Tummelplatz für Gänse, Enten, Frösche und anderes Getier gleich neben dem Platze, wo die damalige männliche, später auch weibliche Jugend in Glieder verrenkende Weise, was man turnen nannte, sich ergötzte, anlegen ließ, der Uranfang zu solch gigantischem Werke liegen würde. Unter Glockengeläut und den Klängen des Hainewalder Spezialflottenparademarsches hat sich inzwischen das Anlegen der Torpedobootflotille vollzogen, die Begrüßung der Offiziere durch den regierenden Oberbürgermeister von Hainewalde, in der Uniform eines Seekapitäns a. D. und dem Range eines türkischen Paschas ist vorüber und brausenden Hurra-Rufen der enthusiastischen Hainewalder und dem Donner der Hainewalder Gemeinde Dynamitkanonen begeben sich die Herren in das raffiniert und luxuriös ausgestattete Oberkretscham Hotel, das freilich jetzt in Folge der gewaltigen Hainewalder Hafen– und Arsenalanlagen am Wiedeberge sich befindet. In diesem Etablissement muss jeder majorenne (erstgeborene), männliche Hainewalder 4 Wochen lang den Wirt spielen. Der Magistrat sah sich zu dieser sonderbaren Maßnahme veranlasst, nach dem sich eine gewisse Sucht der Hainewalder den Gastwirt zu spielen, die sich am Ende des vorigen Jahrhunderts einstellte, auf keine andere Weise bezwingen ließ. In Sekt und anderen angenehmen Stoffen wird nun hier die Freundschaft der angekommenen Seeoffiziere mit den Patriziern von Hainewalde besiegelt. Verstauchte Magen und brummende Köpfe sind die Folge.
Diesem Übel ist leicht dadurch abzuhelfen, dass die davon Betroffenen sich aus den klaren Fluten der Mandau einen der zahmen, marinierten Heringe zulegen und damit kurieren. Das zahlreiche Vorkommen dieser zahmen marinierten Heringe ist ein unauslöschlicher Verdienst des vor 100 Jahren so segensreich wirkenden Hainewalder Fischvereins, von dem sich die Standbilder der Mitglieder in Überlebensgröße in Marmor gehauen auf dem Gipfel des Breiteberges, neben den bereits dort befindlichen Denkmälern Hainewalder Wohltäter, erheben. Ein Klappformvers aus dem Jahre 2000 besingt die eifrigste Fischjagd „Angelgröße“ von 1900 folgendermaßen: Er war von Haus ein Schuhmacher und Angler auch dazu. Zur Erinnerung an die früher auf diesem Berge abgehaltenen, beliebten Hammelschmäuse, werden in dem jetzt darauf befindlichen Gemeindehospize auf Gemeindekosten alljährlich mehrere Haifischessen veranstaltet, angeblich gratis. Doch wird den Teilnehmern die Kostspieligkeit derselben später durch lange Steuerzettel nachdrücklichst zu Gemüte geführt. Vom Gipfel des mit herrlichen Anlagen versehenen Breiteberges ist der Blick auf den zu Füßen liegenden Ort ein hoch befriedigender. Besonders vorteilhaft präsentiert sich das frühere Oberdorf mit seinen zahlreichen Fabriken, gewerblichen Etablissements und technischen Anlagen.
Den Blick fesselt besonders der Monumentalbau des Stationsgebäudes der elektrischen Untergrundbahn Diese wurde gebaut einmal um den gewaltigen Verkehr hier selbst etwas zu entlasten, das andere Mal um das aus dem vorigen Jahrhunderte stammende Straßenbauprojekt bis zur Großschönauer Grenze endlich aus der Welt zu schaffen. Um diesen Bau zum glücklichen Ende zu führen, hatte sich zwar, der Vereinsmeierei des vergangenen Jahrhunderts gemäß, bereits ein Oberdorfstraßenbauverein gebildet, da dieser aber offen und heimlich sofort wütend vom Mitteldorfstraßenbauverein und diese beiden wieder vom Niederdorfstraßenbauverein bekämpft wurden, konnte nie das Projekt zur Ausführung kommen und die Gemeinde hatte den Schaden. Wie würde man vor 100 Jahren gestaunt haben, das Resultat der Volkszählung vom Jahre 2000 zu vernehmen, das einen Zuwachs von 2535 Seelen ergibt, ohne das der regierende Oberbürgermeister nötig hätte Schutzleute und Nachtwächter, Polizeidiener und Privatdetektive auszusenden, um zu regulieren und zu recherchieren, zu spionieren und umquartieren, ob vielleicht ein vagierender Bummler oder halb erblindeter Leierkastenmann vergessen worden sein könnte, um mit Hilfe solcher Personen ein entstandenes Manko der Volkszählung künstlich etwas zu verringern. Ja, groß und angesehen, geliebt von seinen Bewohnern, beneidet von den Auswärtigen und Nachbarn, so zeigt sich Hainewalde heute. Dieses hohe Ziel aber errang es durch 3 Momente, nämlich: Liebe, Eintracht, Zufriedenheit. Diese Liebe, sie kommt so recht zum Ausdrucke im Gemeinderate, pardon im Magistrate. Wenn vor 100 Jahren die Geister oft wutentbrannt aufeinander platzten, so herrscht jetzt eitel Liebe, Sanftmut und Verträglichkeit und oft erklingt aus den Räumen des Sitzungssaales des Hainewalder Rathauses, wo bei verschlossenen Türen von drei an die Zähne bewaffneten Schutzleuten beschützt, der Magistrat in aller Öffentlichkeit tagt, das schöne Lied: „Wir sitzen so fröhlich beisammen und haben einander so lieb“.
Diese Liebe beseelt auch die Hainewalder Bewohnerschaft besonders die Geschäftswelt. Wenn früher der Geschäftsmann bei Erfolgen seines Konkurrenten vor Neid schwarz wurde, vor Missgunst sich krank ärgerte, da schickt er jetzt seinem Nebenbuhler selbst Kunden zu, bei Verlusten derselben kondoliert er mit Leichenbittermiene in hohem Hut und Frack, oder schießt bei einem Reibach der selben in Freude Purzelbäume und schlägt das Rad. Ha und welche Eintracht im Orte! Kein Zank und Streit mehr, kein Hetzen und heimliches Ehrabschneiden mehr, wie vor 100 Jahren. Die Person des Friedensrichters vom vorigen Jahrhunderts, sie lebt nur noch in der Sage, die Advokaten verhungerten, die Gerichte vereinsamten. Und welche Zufriedenheit! Niemand räsonniert und skandaliert über die meterlangen Steuerzettel. Niemand erbittert und erbost sich über die jährlich einzuhebenden 24 ¾ Kommunalsteueranlagen, niemand mokiert sich darüber , das jeder Hainewalder bis zum vollendeten 75 Lebensjahre aktiv der Pflichtfeuerwehr angehören muss. Alle Welt ist zu frieden. Am zufriedensten aber sind Sie, verehrte Zuhörer, denn ich bin am Ende meiner Ausführungen.